Unterwegssein: einst, jetzt und vielleicht wieder anders
Unterwegs sein
Die Morgenluft einatmen
Menschen ins Gesicht schauen
sie freundlich grüßen
Rast machen
ihre Speisen kosten
Freunde verlassen
In ein Gefährt steigen,
vorbeifahren,
Scheibenfotos,
mal aussteigen,
Rast machen,
weiterfahren,
Hotspots ansteuern.
Anstehen.
Selfies machen.
Hochladen.
Rast.
Coffee to go.
Unterschiedliche Planeten.



Overtourism
Eine massenhafte Welle
die mal kurz und auf die Schnelle
schöne Orte überflutet;
mehr beschädigt als vermutet.
Abfall, Abgas, Lärm, Beton,
bleiben, wenn die Welle weicht.
Doch die Flut bringt in Fusion
Geld, das für den Winter reicht.
Weil‘s Bewohnern jetzt zu heiß wird,
hauen sie in die Länder ab,
wo die andern hergekommen.
Schaufeln dort schon deren Grab.
Luxus? Nicht mehr!
Montag speisten wir in Nizza,
shoppten mittwochs in Paris,
aßen in Neapel Pizza,
schossen Löwen auf Sa-fa-ris.
Seit so viele Leute reich sind,
macht das alles keinen Spaß.
Auch mit Jachten auf den Meeren:
Auf Exklusion ist kein Verlass.
Ins All? Hinaus in neue Welten?
Selbst die Idee ist gar nicht selten.
Ein Trost: Sobald genug am Abgrund stehn,
wird’s oben wieder schöner wehn.



Odysseus hätte storniert
So wie Homer es einst beschrieb,
in seinem alten Odysseus-Lied:
Das Herumirren gehört zum Reisen,
nicht bloß das Rollen auf alten Geleisen.
In einem goldenen Käfig geht das nicht.
Nie erlebt man dort das echte Licht.
Man sieht viel Welt – auf günstige Weisen,
und verwechselt Tourismus mit echtem Reisen.



Grand Tour
Eine Idee, ein Mythos, eine Wanderschaft
brachte Menschen in ihre Kraft.
Wie Goethe auf der Italienischen Reise
mehr zu sich fand, auf seine Weise.
Für junge Leute aus gutem Hause,
eine verpflichtende Reise ohne Pause,
über Frankreich, die Schweiz, bis nach Italien
heute gerne bis Peru und Australien.
Im Mittelpunkt standen einst Kunst und Stil,
die Selbstentdeckung war das große Ziel,
der Blick auf die Heimat aus der Fremde,
umfassende Bildung, jenseits eigener Wände.
Ein Losgehen, nicht suchen,
sich nicht auskennen, fluchen,
kein Wort verstehen, nur deuten,
um Hilfe bitten bei fremden Leuten.
Etwas wagen. Und scheitern.
Und sich hinterher darüber erheitern.
Später zurück – nicht viel erzählen,
nur anders sein. Und besser wählen.
Und wissen, was – und auch was nicht –
wirklich der eigenen Art entspricht.



Reise nach Hause
Nun liegst du da, empfindest lange Weile,
gleitest ganz sacht ins Zwischenland hinein.
Da ist ein Ruf ganz ohne Worte,
ein bunter Ton schlüpft in dein Herz herein.
Erinnerungen aus der Zukunft,
dein Traum als Herkunft in dir drin.
Die Zeit ist nicht mehr aufgefaltet,
nun tauchst du ein, versinkst darin.
Dort willst du bleiben, kannst‘s nicht halten,
weil „es“ sich nicht besitzen lässt.
Den Ort, den du auf keiner Karte findest –
spürst du in dir – als Hafen und als Nest.
Nur du allein kannst dorthin reisen,
und bist dort trotzdem nie allein.
Verlierst dort alles Wissen-Wollen,
du weißt einfach – und lässt dich sein.



Alle müssen reisen
Alle wollen reisen
und die Welt besehn.
Alle sollen reisen,
mal was anderes sehn.
Alle dürfen reisen,
das stimmt leider nicht.
Länder, die abweisen,
fordern den Verzicht.
Alle müssen reisen,
wenn das Wasser steigt,
oder sich der Pegel,
zu dem Nullpunkt neigt.
Reisen ohne Heimat –
machen keinen Spaß.
Weil das ganze Leben,
dabei zerbricht wie Glas.



Fünf fünf fünf fünf …
Fünf Kilometer vor meiner Haustüre,
entspringt eine Quelle.
Ich kenn ihren Namen.
War noch nie dort.
Keine Lust zum Wandern.
Fünf Stunden hinter meine Haustüre,
gibt es einen Wasserfall.
Ich war mal mit meine Eltern dort.
War schön.
Einmal reicht.
Fünf Flugstunden von hier
liegt das Meer.
Ich fliege regelmäßig hin.
Genieße Sand und Sonne.
Trotz der vielen Leute.
Fünf Wochen nach dem Urlaub
bin ich wieder müde.
Ich brauche dringend eine Auszeit.
Irgendwo im Süden.
Die Hitze hier halte ich nicht aus.

Juli 2025